Kälbermanagement im Winter - Teil 2
22. Dezember 2021 — Kälberfütterung, Kälberhaltung, Kälbermanagement — #Biestmilch #Energieversorgung #Geburtsmanagement #Kälbergesundheit #Kälberjacken #Management #Nesting-Score #Wintermanagement #Zunahmen12 Tipps für gutes Kälbermanagement im Winter
Im ersten Teil dieses Blogs zum Wintermanagement, geht es um das Warum: Welche Bedürfnisse haben die Kälber in der kalten Jahreszeit und welche Auswirkungen hat ein unzureichendes Management auf die Gesundheit und Leistung unserer Kälber. Lesen Sie in diesem Artikel auf welche Details es ankommt, wenn die Tage kürzer und das Leben für die Kälber schwerer wird.
In diesem Artikel geht es um
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1. Mehr Milch füttern!
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2. Ad-libitum-Fütterung kontrollieren
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3. Absetzzeitpunkt verzögern
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4. Auf die Tränketemperatur achten
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5. Kolostrumgabe
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6. Kraftfutteraufnahme steigern
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7. Wasser
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8. Geburtsmanagement
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9. Kälberjacken oder Decken
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10. Einstreu (Nesting-Score)
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11. Zugluft und Wind kontrollieren
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12. Auf Katastrophen vorbereitet sein
1. Mehr Milch füttern!
Wenn die Kälber restriktiv gefüttert werden (< 10 l Milch pro Tag) und die Temperatur längerfristig unter die Marke von 5–10 °C fällt sollten die Futterprogramme angepasst und mehr Milch gefüttert werden. Zunächst reichen ca. 10 % Steigerung. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sind jedoch Steigerungen von 20–30 % angezeigt.
- Bei der Fütterung mit dem MilchTaxi in Eimern könnte man die Milchmenge einfach erhöhen oder eine dritte Mahlzeit, zum Beispiel zur Mittagszeit, einfügen.
- Am Tränkeautomaten sind die Mengensteigerungen einfach mit einer geänderten Tränkekurve möglich.
- Statt der Menge könnte man auch die MAT-Konzentration steigern. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass die Konzentration je nach MAT-Qualität nicht zu hoch sein sollte, um Verdauungsproblemen vorzubeugen. Als Grenze sollten hier 15–16 % Trockensubstanz in der Tränke nicht überschritten werden. Der Hersteller des MAT gibt da genauere Auskunft.
2. Ad-libitum-Fütterung kontrollieren
Wenn bereits ad libitum gefüttert wird, ist eine Mengensteigerung nicht erforderlich. Die Kälber nehmen sich, was sie brauchen.
Problematisch wird es allerdings bei starkem Frost. Wenn der Nuckel oder gar der komplette Eimer einfriert, können die Kälber keine Milch aufnehmen. Daher sollte man in diesen Tagen auch eine dritte Mahlzeit einplanen und die Eimer entfernen, sobald sie Gefahr laufen einzufrieren. Allein der zusätzliche Arbeitsaufwand, die gefrorene Milch zu entfernen, kann enorm sein.
3. Absetzzeitpunkt verzögern
Sollte das Absetzen der Kälber von der Milch genau in eine extreme Kältephase fallen, ist zu überlegen, das Absetzen um 7–10 Tage zu verzögern. Zwar beginnen die Kälber bei Entzug der Milch relativ schnell mit der Aufnahme von zusätzlichem Kraftfutter, doch reicht das oft nicht aus, um schon unter normalen Bedingungen den Energiebedarf für stetiges Wachstum zu decken. Daher hilft es den Kälbern, wenn sie in einer Kältephase noch etwas länger mit hochverdaulicher warmer Milch versorgt werden.
Bereits begonnene Absetzphasen sollten allerdings normal fortgeführt werden. Bereits nach einer Woche haben die Kälber sich an die Aufnahme von Kraftfutter gewöhnt und steigern ihre tägliche Menge kontinuierlich.
Dieser Tipp gilt besonders für Betriebe, die mit Eimern und MilchTaxi füttern und ihre Kälber schnell über 1–2 Wochen abtränken. Beim Abtränken am Tränkeautomaten ist das nicht so entscheidend, weil das Abfüttern in der Regel sehr langsam und schonend stattfindet.
4. Auf die Tränketemperatur achten
Bei der Ad-libitum-Tränke sind die Kälber kalte Milch gewöhnt. Die Milchtemperatur ist dann nicht besonders wichtig.
Bei rationierter Tränke sollte aber eine ausreichende Temperatur von mind. 35 °C, besser 38–39 °C, erhalten bleiben. Die folgenden Maßnahmen können dabei helfen:
- Die Milch im MilchTaxi ein paar Grad wärmer anrühren. Besonders wenn die Tränkeeimer kalt sind, muss ein Temperaturabfall beim Einfüllen in die Eimer ausgeglichen werden.
- Während des Transports im MilchTaxi den Deckel geschlossen halten. Über einen geöffneten Deckel geht sehr viel Energie verloren. Bei extremen Temperaturen < -10 °C sollte auch die MilchTaxi-Decke eingesetzt werden, um eine Auskühlung der Milch beim Füttern zu reduzieren.
- Ein Deckel auf dem Nuckeleimer hält die Wärme in der Milch ebenfalls deutlich länger, als bei einem offenen Eimer.
- Am Tränkeautomaten sollten die Milchschläuche gedämmt werden. Bei sehr langen Milchleitungen (> 5 m) kann eine Begleitheizung helfen. Wichtig dabei ist aber die Temperaturkontrolle. Denn heizt das Kabel zu stark, kann es sein, dass die Milch im Schlauch zu heiß wird!
5. Kolostrumgabe
Frühes Kolostrum ist nicht nur für die Immunität der Kälber wichtig. Sie versorgt das neugeborene Kalb neben den wertvollen Antikörpern auch mit viel Energie und weiteren wichtigen Nährstoffen. Das ist sehr wertvoll, denn neugeborene Kälber haben nur ca. 3–4 % Fettreserven. Diese Energieressourcen sind im Winter innerhalb von 12–24 Stunden verbraucht. Daher ist neben der ersten Mahlzeit, die zum Aufbau der Immunität innerhalb von max. 2 Stunden gegeben werden sollte, eine zweite Biestmilchmahlzeit nach ca. 12 Stunden besonders im Winter sehr wichtig.
6. Kraftfutteraufnahme steigern
Neben der Milch ist die Kraft- und Raufutteraufnahme eine weitere Möglichkeit, die Kälber mit mehr Energie zu versorgen.
Im Winter ist es umso wichtiger, dass das Kraftfutter, Heu und Silage von den Kälbern gern gefressen werden. Feuchte Silage kann bei Frost gefrieren und sollte nicht angeboten werden! Auch das Kraftfutter sollte möglichst frostfrei gelagert und täglich frisch vorgelegt werden.
Allerdings sollte beachtet werden, dass die Kraftfutteraufnahme von jungen Kälbern zu gering ist. Erst nach ca. 4–5 Wochen beginnen die Kälber vermehrt Trockenfutter zu fressen. Und eine Steigerung der Kraftfuttermenge ist erst in der Absetzphase wirklich erfolgversprechend.
Daher kann zusätzliche Energie zuverlässig nur über mehr Milch angeboten werden.
7. Wasser
Im Winter besteht die Gefahr, dass Wassertränken einfrieren. Auch die Wasserschalen an Kälberhütten frieren ein, sodass bei Frost oft überhaupt kein Wasser angeboten wird.
Allerdings ist Wasser unerlässlich, wenn die Aufnahme von Kraft- und Raufutter gefördert werden soll. Der sich neu entwickelnde Pansen benötigt Wasser, damit sich eine stabile Bakterienpopulation entwickeln kann. Schätzungen gehen davon aus, dass für jedes Kilogramm Kraftfutteraufnahme mind. 4 l Wasser aufgenommen werden müssen. Zusätzlich zur Milchmahlzeit!
Damit die Kälber das Wasser gern aufnehmen, sollte es angenehm temperiert sein. Daher kann es im Winter sinnvoll sein, warmes Wasser (ca. 20–30 °C) anzubieten. Das kann entweder mit dem MilchTaxi in Eimer gefüllt werden oder in Kälbergruppen über elektrisch beheizte Schwimmertränken sichergestellt werden.
Ein weiterer Grund, vorgewärmtes Wasser anzubieten, ist die Tatsache, dass das Kalb das kalte Wasser mit der eigenen Körperwärme erwärmen muss. Diese Energie steht nicht für Wachstum zur Verfügung.
8. Geburtsmanagement
Das neugeborene Kalb kommt aus einer Umgebung mit 38 °C im Mutterleib. Der Kälteschock nach der Geburt ist also enorm! Im Winter ist es daher wichtig, dass das Kalb von der Mutter oder vom Landwirt schnell abgerieben und getrocknet wird. Ein nasses Kalb verliert sehr viel Energie – anders als ein trockenes! Besonders nach einer schweren Geburt, wenn Mutterkuh und Kalb sehr gestresst sind, ist das von großer Bedeutung!
Beim manuellen Abtrocknen des Kalbes sollten Sie ein großes Frotteehandtuch verwenden. Rubbeln Sie das Kalb intensiv ab und sorgen Sie dafür, dass sich die Haare aufstellen, dann hat das Kalb anschließend schon eine gewisse Wärmeisolierung.
Selbstverständlich sorgt eine trockene und ausgiebig eingestreute Abkalbebucht für zusätzlichen Wärmeschutz.
Ausgekühlte Kälber können mit Wärmelampen, in speziellen Wärmeboxen oder sogar kleinen gewärmten Räumen wieder aufgepäppelt werden. Nur wenn sie vollständig getrocknet sind, sollten sie in die Einzelboxen kommen.
In besonderen Notfällen, das heißt bei stark unterkühlten Kälbern sollte sogar ein Bad mit warmem Wasser (max. 38 °C!) zum Einsatz kommen, um die Körpertemperatur des Kalbes schnell wieder auf Normalniveau zu bringen.
9. Kälberjacken oder Decken
Kälberjacken sparen ca. 20–30 % an Energie und können somit auch als Alternative zu gesteigerten Milchmengen eingesetzt werden. Die Jacken sind besonders bei jungen Kälbern sehr vorteilhaft, weil sie den Rücken wärmen. Es hat sich gezeigt, dass die Lungen neugeborener Kälber ca. 2–3 Wochen benötigen, um sich voll zu entfalten. Die „Belüftung“ der Lungen beginnt von oben und führt nach unten. Das heißt, dass die Kälberjacken den sensiblen Bereich der Lunge unter dem Rücken gut schützen.
Eine vergleichende Studie an der Harpers University[1] in Großbritannien hat ergeben, dass die Kälber durch Kälberjacken höhere Zunahmen bei besserer Gesundheit erreichen. Außerdem ist die Futterverwertung der Tiere besser und insgesamt sinken die Kosten je Aufzuchttag und kg-Gewichtszunahme.
Kälberjacken sollten daher bei allen Kälbern im Alter von bis zu 3–4 Wochen zum Einsatz kommen, sobald die Temperaturen unter 10 °C sinken. Als Anhaltspunkt könnte man sagen: Sobald der Mensch eine Winterjacke benötigt, sollte man den Kälbern diesen Komfort auch gönnen. Wenn die Temperaturen wieder steigen und die Kälber unter der Decke schwitzen, sollte man sie wieder entfernen. Das kann auch dann der Fall sein, wenn die Kälber vermehrt Kraftfutter aufnehmen und die Pansenaktivität und somit die eigene Wärmeproduktion steigt. Man sollte also prüfen, ob die Jacken bei Kälbern im Alter von über 4–5 Wochen noch sinnvoll sind.
Bei den Kälberjacken sollte auf jeden Fall ein guter Sitz der Decken gegeben sein. Sie müssen waschbar sein und sollten spätestens beim Wechsel auf ein anderes Kalb bei mind. 30 °C gewaschen werden.
Besonders kurios sehen Ohrwärmer bei Kälbern aus. Was aber in Europa vielfach belächelt wird, ist in vielen Teilen Nordamerikas eine sehr gute Lösung, um das Erfrieren der Ohren bei Kälbern zu verhindern. Da die abstehenden Ohren eine große Oberfläche haben und zum anderen wenig Schutz durch Fell und Haare aufweisen, sind sie oft das erste Körperteil, das tatsächlich mit Erfrierungen zu kämpfen hat.
[1] Simon P. Marsh et.al, 2014, “Evaluation of calf coats (Holm & Laue) on the performance and health of artificially reared winter born beef calves to 12 weeks”
10. Einstreu (Nesting-Score)
Besonders in den ersten 2–3 Lebenswochen liegen Kälber ca. 90 % ihrer Zeit. Daher ist die Einstreu sehr, sehr wichtig. Besonders in der kalten Jahreszeit.
Mit viel Stroh in der Kälberbox können sich die Tiere selbst ein Nest bauen und sich so vor Kälte schützen. Wichtig ist, dass die Einstreu trocken ist. Kontakt mit feuchtem Stroh oder eine kompakte Strohmatte kühlen den Körper des Kalbes stark aus, und beides eignet sich wenig zum Nestbau. Drainage oder Jaucheabläufe unter den Kälberhütten helfen die Einstreu trocken zu halten.
Es hat sich gezeigt, dass eine Grundlage von Sägespänen oder Sägemehl mit nicht zu kurz gehäckseltem Stroh als Auflage eine ideale Kombination ist.
Die Kontrolle einer ausreichenden Einstreu kann man anhand des Einstreuindex (Nesting-Score) vornehmen. Er unterscheidet drei Situationen:
- Score 1: Das Kalb liegt auf der Einstreu. Alle Extremitäten sind zu sehen.
- Score 2: Das Kalb liegt zum Teil in der Einstreu. Klauen und Gelenke sind im Stroh versunken, Beine sind aber noch zu erkennen.
- Score 3: Das Kalb liegt tief im Stroh, Beine sind nicht mehr zu erkennen.
Im Winter sollte der Score 3 bei allen Kälbern erreicht sein. Im Sommer hingegen ist der Score 1 zu bevorzugen, um Hitzestress vorzubeugen. Lesen Sie hierzu auch den Blog „Es wird heiß, heiß Baby!“
Viel gute Einstreu sorgt auch dafür, dass die Kälber sauber bleiben. Ein verdrecktes und verklebtes Fell hat nur eine geringe Isolierwirkung.
11. Zugluft und Wind kontrollieren
Besonders im Winter benötigen Kälber ausreichend frische Luft. Bei Kälte sind die Kälber Stress ausgesetzt und sollten nicht mit Schadstoffen oder Keimen in der Luft zusätzlich belastet werden.
Allerdings bedeuten niedrige Temperaturen auch, dass man versuchen wird, die Lüftung auf ein Minimum zu reduzieren, um ein zu starkes Auskühlen des Kälberstalls zu vermeiden.
Mit den oben beschriebenen Maßnahmen können Kälber auch tiefe Temperaturen bis –20 °C gut überstehen. Allerdings sind Kälber sehr empfindlich, was Zugluft angeht. Die gilt es in jedem Fall zu vermeiden! Im geschlossenen Kälberstall entsteht Zugluft durch schlecht ausgesteuerte Lüftung, in Außenklimaställen oder Kälberhütten durch den Wind, der in den Liegebereich der Kälber bläst.
Daher sind folgende Maßnahmen im Stall zu treffen:
- Bei mechanischer Lüftung mit Tubes oder Ventilatoren sollten Wetterstationen die Steuerung der Be- und Entlüftung regeln.
- Kälbernester oder seitliche Trennwände unterbrechen ungewünschte Luftströmungen. Achtung: Sie behindern allerdings die Luftströmungen von Tubes o.ä.
- Einzel- oder Gruppenboxen mit Kälberhütte oder Iglu (außen aber auch innen) geben maximalen Schutz im Liegebereich.
- Kälberhütten oder -iglus im Außenbereich benötigen eine einfache Überdachung (wie den KälberGarten oder die IgluVeranda). Das schafft ein besonderes Mikroklima für die Kälber, hält die Einstreu trocken und sorgt für einen angenehmen und geschützten Arbeitsplatz.
- Die Ausrichtung der Igluöffnung sollte so vorgenommen werden, dass weder die Hauptwindrichtung (zum Beispiel West-Nord-West) aber auch typische Winterwetterlagen (zum Beispiel Nord-Ost) nicht in den Iglu blasen.
- Seitliche Windbrecher (entweder in Höhe der Abgitterungen oder durch dichte Zäune und Hecken) sorgen für eine reduzierte Belastung der Kälber mit Wind im Liegebereich.
12. Auf Katastrophen vorbereitet sein
Jeder noch so gut gemeinte Tipp oder jede durchdachte Arbeitsroutine bringt nichts, wenn im Winter viele Faktoren zusammenkommen, die es unmöglich machen, sich adäquat um die Kälber zu kümmern. Wenn der Strom länger ausfällt, die Wasserleitungen einfrieren oder extremer Schneefall dafür sorgt, dass man nicht mehr zu den Kälberiglus kommt, ohne zuvor zwei Stunden Schnee geschoben und Wasserleitungen aufgetaut zu haben, ist eine gute Versorgung der Kälber oft nicht möglich.
Erstellen Sie daher bereits im Vorfeld einen Notfallplan, der genau beschreibt, wer im Krisenfall wann was zu tun hat. Definieren Sie genau welche Unterstützung Ihr Team einfordern kann. Erstellen Sie Telefonlisten, Lagepläne für Hilfsmaterial und Erste Hilfe. Aber bestellen Sie auch rechtzeitig Dinge wie Streusalz, Besen und Schaufel, ausreichend Futterreserven (mind. 2 Wochen Vorrat), Arzneien, Kälberjacken etc. Stellen Sie sicher, dass Ihre wichtigsten Arbeitsmaschinen gut gewartet, vollgetankt und einsatzbereit sind.
P.S.: Dieser Tipp gilt natürlich für den gesamten Betrieb und sollte in gemeinschaftlicher Teamarbeit erstellt werden!
Dieser Blogartikel entstand unter Inspiration des Webinars „Cold Weather Calf Management & Feeding“ im Dezember 2021. Teilweise habe ich Tipps und Informationen in den beiden Blogs von CalfTel und CalfStar gefunden und hier weiterentwickelt. Es lohnt sich sicher dort einmal nachzuschauen. Vielen Dank an die Autorinnen Kelly Driver und Minnie Ward!
Wenn Sie mehr über das "Warum" erfahren wollen, lesen Sie auch den ersten Teil dieses Artikels hier im Blog.